Für heute ist die Konfiguration eines Netzteils mit Röhrengleichrichtung mittels EZ12 geplant. Diese Röhre wurde bis etwa 1960 gefertigt und ist ein Doppelanodengleichrichter, der bei Spannungen von bis zu 500Volt noch 100mA Strom abgibt – den passenden Trafo vorausgesetzt. Dies Netzteil soll die RL12T15 versorgen und hoffentlich einen weiteren Klanggewinn bescheren. Ich habe seinerzeit mit der EZ hervorragende Erfahrungen gemacht und habe auch noch einen passenden Trafo mit 150mA bei 380 Volt verfügbar.
Das Ensemble wird zunächst auf einer Montageplatte fixiert. Aus der EZ12 fliesst der Strom in eine Drossel, die vor allem für eine saubere Basswiedergabe eingesetzt wird. Danach folgt ein Ladekondensator (hier im Bild zwei in Serie geschaltete 100µF/300V – ergeben 50µF/600Volt. Der erste Ladekondensator mit einer Spannungsfestigkeit von 385V ging in Rauch auf, weil die gleichgerichteten 380V nach Siebung auf 500V hochliefen.). Von da aus wird über einen hochbelastbaren 47Ohm Widerstand ein 3.300µF Röderstein Kondensator mit 450V aufgeladen. Der Röderstein verkraftet auch die anliegenden 495 Volt, wird aber alsbald aus Sicherheitsgründen ersetzt werden.
So, da war die Spannung – locker 200 Volt mehr als gestern.Was würde nun passieren? Wieviel Strom würde die RL12T15 ziehen? Würde das Ding in Flammen aufgehen oder nicht? Ich habe im Leben noch keinen Verstärker mit mehr als 300V betrieben. Allein wegen der Probleme mit der Spannungsfestigkeit der Kondensatoren, die einem im Ernstfalle um die Ohren spritzen, oder einen übelriechenden Dampf ablassen, bevor sie zerplatzen. Wir schauen zunächst auf den Gesamtaufbau und kontrollieren noch einmal alle Anschlüsse.
Keine Ahnung, was passiert, wenn… und ich möchte es auch nicht wissen.
Nach dem Einschalten passiert natürlich zunächst einmal gar nichts. Die EZ12 heizt sich langsam auf. Die Spannung an der D3a ist sofort da wegen des Brückengleichrichters. Eigentlich sollte man hier eine Verzögerungsschaltung einsetzen, damit sich zuerst die Röhre aufheizen kann. Das ist im Übrigen auch das Problem bei der RL12T15 – deren 12,6V Heizspannung brauchen merklich lange, bis ihr Faden glüht. Als dies geschehen war, flossen dann auch mal eben satte 90mA durch den 200Ohm Anodenwiderstand. Ich reduzierte den Stromfluss durch Tausch des Anodenwiderstands auf 470Ohm, was zu etwa 60mA Stromfluss führte. Ich möchte die RL12T15 nicht sofort an die Grenze der Belastbarkeit zwingen, sowas hebe ich mir für später auf… und wagte dann, den CD Player (übrigens ein Sony CDP XE530) einzuschalten.
Der Testlautsprecher stand im Nebenraum und ich will ein Foto desselben an dieser Stelle nicht vorenthalten:
Hatte ich gestern noch Paolo Conte eingelegt, so wollte ich dies heute auch wieder tun, um einen möglichst objektiven Höreindruck zu gewinnen. „Via con me“ – erstes Stück, Play drücken und – zum Glück, kann ich nur sagen, hatte ich den regelbaren Ausgang des Sony auf -20dB gesenkt. Denn kaum startete die Aufnahme, da kam Paolo vehement aus dem andern Raum gesprungen und hauchte mir geradewegs ins Ohr. Ich darf sagen dass ich nicht gedacht hätte, dass 200Volt mehr an Betriebsspannung und 10mA mehr Stromfluss und Röhrengleichrichtung statt Brückengleichrichter zu einer solchen Lebendigkeit hätten führen können. Mir standen sämtliche (und es sind derer viele!) Unterarmhaare senkrecht! Leider war niemand zugegen, der diesen Effekt hätte teilen können. Zum Glück störte aber auch niemand. Noch nicht mal die Nachbarn, die eigentlich durch diese gewaltige – man kann es nicht anders beschreiben – musikalische Darbietung hätten angelockt werden müssen. Nun, es war 12Uhr Mittag. Vielleicht daher. Irgendwie erinnert das Ensemble zu den Momenten, an denen man die Anodenspannung kontrolliert, an einen Versuchsaufbau Frankensteins. Hölle! 500Volt auf meinem Schreibtisch… langsam ausatmen, CD Player abschalten. Luft holen. Nochmal? Jaaaaa! „Element of Crime – Weisses Papier“ So muss Musik sein, abgrundtiefe Bässe selbst an den 20cm Chassis der Cinematik, klare Mitten mit allen Atem- und Nebengeräuschen, brilliante Höhen. Eine Detailauflösung, die selbst die höchstempfindlichen PC86/PL82 Varianten in den Schatten stellt. In ewige Dunkelheit sozusagen. Ich sage das nicht mal eben so, sondern habe diverse (etwa 10!) dieser Verstärker gebaut und war immer begeistert von ihrer Detailfreude. Was allerdings auch immer fehlte, war eben dieser Gänsehaut-Effekt am Unterarm. Und mit diesem Gänsehaut Feelig, das ich mir jetzt kurz vor Mitternacht nochmal genehmige, empfehle ich mich in die Nacht.